Charta des Krisenstab der Zivilgesellschaft Berlin
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Ausgangslage
Die Berliner Stadtgesellschaft befindet sich seit mehreren Jahren in einer Periode der Polykrise: Die Pandemie, Russlands Krieg gegen die Ukraine, die daraus resultierenden Folgen, wie die hohe Inflation, die Energieverknappung, eine sich verstärkende soziale Isolation vieler Menschen und die dramatische Erderwärmung.
Bei der Bewältigung dieser Krisen haben Einrichtungen und Initiativen der Zivilgesellschaft in Berlin bereits sehr viel geleistet. Viele davon sind im Winter 2022/23 dem Netzwerk der Wärme beigetreten. Gemeinsam mit über 400 Einrichtungen und Initiativen sind wir zu einem engagierten Kollektiv zusammengewachsen, das den Berliner Bürger*innen in sozialer oder finanzieller Not zur Seite steht. Diese Erfahrungen, das Wissen und die bestehenden Lösungen in den Stadtteilen sind für Berlin und darüber hinaus von unschätzbarem Wert.
Aus den letzten Krisen gibt es zwei wichtige Erkenntnisse:
1. Beim Ausbruch einer Krise entsteht eine zeitliche Lücke: Auf der einen Seite benötigt die Aktivierung von demokratisch legitimierten, koordinierten Hilfeleistungen (über das Berliner Abgeordnetenhaus, die Bezirke oder den Bund) mehrere Tage bis Wochen. Auf der anderen Seite können zivilgesellschaftliche Organisationen zwar unmittelbar reagieren, sind allerdings untereinander nicht koordiniert und häufig nicht mit den nötigen Ressourcen ausgestattet.
2. Infolge der Klimakrise kommen Hitzeperioden, Starkregen, Trockenheit, Wassermangel und Waldbrände auf uns zu. Diese werden unsere Stadt und unser Leben zusätzlich beeinträchtigen. Die aus der Klimaerwärmung resultierenden Herausforderungen sind absehbar, ihre Wechselwirkungen mit anderen Krisen eher schwer einzuschätzen.
Zielsetzung
Wir sind überzeugt, dass wir als Gesellschaft Folgendes benötigen, um Krisen wirksam zu begegnen: Die bereits vorhandene Erfahrung und bestehende Lösungen vor Ort in den Quartieren, neue Ideen, Ressourcen, Vernetzung und gute Vorbereitung. Deshalb soll eine neue Allianz aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Wirtschaft, Politik/Verwaltung, Kunst, Kultur und Medien entstehen und im Krisenstab der Zivilgesellschaft Berlin verstetigt werden.
Übergeordnetes Ziel ist es, den Zeitraum zwischen dem Ausbruch einer Krise und ihrer Bewältigung zu schließen. Der Krisenstab der Zivilgesellschaft Berlin soll entsprechend mit Ressourcen, Abläufen und Verantwortlichkeiten ausgestattet sein, um für die Menschen in Not schnelle und koordinierte Hilfe zu leisten, die über das eigene Quartier hinausreicht. Den Verletzlichsten unter uns, den Kindern und Seniorinnen, den Wohnungs- und Obdachlosen, den Geflüchteten und den einsamen Menschen, gilt dabei unsere besondere Aufmerksamkeit.
Gemeinsam mit der GLS Bank wird ein Finanzierungsinstrument auf den Weg gebracht, das in Krisensituationen die finanziellen Risiken von Sozialträgern abdecken soll. Das Instrument soll es möglich machen, dass Kriseninterventionen schnellstmöglich finanziert werden, bevor bindende Haushaltsbeschlüsse getroffen werden können. Das bereits erprobte Vorhaben soll, im Sinne einer Public Civic Partnership, als Finanzierungsinstrument von öffentlichen, privaten und zivilgesellschaftlichen Akteur*innen ausgestattet und betrieben werden.
Selbstverpflichtung
Gemeinsam erarbeiten wir ein Krisenmanagement, erörtern die Krisenszenarien und trainieren unsere künftigen Einsätze. Wir versuchen prophylaktisch soziale Innovationen zu entwickeln und zu erproben, die wir in einer Notlage koordiniert in Anwendung bringen können. Dazu nutzen wir die Arbeit des Reallabors zur Transformation der Gesellschaft(en), in Kooperation mit der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung.
Die dieses Papier unterzeichnenden Einrichtungen, Initiativen und Einzelpersonen werden im Ernstfall gemeinsam als Krisenstab der Zivilgesellschaft Berlin dort helfen, wo Menschen oder Natur uns brauchen. In Absprache mit dem Land Berlin, stehen wir insbesondere in den ersten Stunden und Tagen einer Krise dort zur Verfügung, wo wir gebraucht werden. Wir arbeiten eng mit anderen Einsatzkräften, wie dem THW, der Polizei, der Feuerwehr und anderen zusammen und folgen Ihren Anweisungen.
Ergänzend zu den Aktivitäten in der unmittelbaren Bewältigung von akut auftretenden Krisen, verstehen wir uns als Multiplikator für die Planung und Umsetzung von Maßnahmen zur Krisenprävention (z.B. durch das Pflanzen von Tiny Forests und die Schaffung von Schattenplätzen im Stadtgebiet zur späteren Abmilderung von Hitzewellen).
Der Krisenstab der Zivilgesellschaft Berlin kommt auch bei lokalen Krisen in unseren Kiezen zum Einsatz. Alle Unterzeichnenden profitieren von der Stärke unserer Allianz, die niemanden bei den großen Herausforderungen unserer Zeit allein lässt. Egal ob in ganz Berlin oder direkt im Quartier, es gilt: #gemeinsamgehtsbesser.
Krisenstab der Zivilgesellschaft Berlin – für ein solidarisches und resilientes Berlin!